2019 war ein fettes Jahr für Liebhaber der harten Gitarrenmusik mit einem namhaften Release, das das andere jagte. Mein alljährlicher verspäteter Jahresrückblick ist also praller gefüllt als der Sack des Weihnachtsmannes. Viel Spaß beim Lesen und frohes neues!
While She Sleeps – So What?

Nachdem die Jungspunde aus Sheffield durch mitreißende Live-Performances in den letzten Jahren schon positiv aufgefallen sind, war es schon ziemlich klar, dass „So What?“ ein Hit werden würde. Die Band erfindet weder sich selbst noch das Rad auf diesem Album neu, aber das ist völlig in Ordnung. While She Sleeps‘ punkiger Mitgröhl-Metalcore macht einfach immer Laune und darf auf keiner Party-Playlist fehlen.
Slipknot – We Are Not Your Kind

Ich fand Slipknot eigentlich die meiste Zeit kacke. IOWA war noch geil, aber danach hat die Band absolut gar nichts herausgebracht, was mich auch nur ansatzweise interessiert hätte. Die Inspiration hat sich quasi augenblicklich verpisst und weder als Slipknot noch als Soloprojekt ist es auch nur einem der Bandmitglieder gelungen sie wiederzufinden. 2019 ist sie dann scheinbar wieder aufgetaucht. Ich wollte das natürlich zuerst nicht glauben und habe das Album deshalb monatelang links liegen gelassen. Vor ca. 8 Wochen hatte ich dann spontan mal wieder Bock auf Slipknot und dabei versehentlich „We Are Not Your Kind“ angespielt. Was soll ich sagen… Nach 18 Jahren endlich mal wieder ein gutes Slipknot Album! Hoffentlich müssen wir nicht weitere 18 Jahre auf sowas warten.
Leprous – Pitfalls

Auf „Pitfalls“ schieben Leprous die Kugel so ruhig wie nie. Und dennoch ist den Nordmännern ein fesselndes Album gelungen, das den Hörer im Handumdrehen in seinen Bann zieht und auch keine Sekunde lang langweilig ist. Mehr denn je werden die Songs von Einar Solbergs Gesangsmelodien getragen, die sich durch Unverwechselbarkeit, technische Erhabenheit und großen Druck auf die Tränendrüse des Hörers auszeichnen. No shit: Wer gerade eine emotional instabile Phase durchlebt, sollte sich zusammen mit dem Album eine Packung Kleenex rauslassen. Da es nicht viele Bands gibt, die so etwas überhaupt hinbekommen, ist „Pitfalls“ definitiv Pflichtprogramm für jeden ernsthaften Musikliebhaber.
Insomnium – Heart Like A Grave

Nachdem Insomnium lange Zeit nur belanglosen Durchschnittskram abgeliefert hatten, gelang ihnen mit dem Konzeptalbum „Winter’s Gate“ 2016 so etwas wie ein kreativer Durchbruch. Okay, Durchbruch ist vielleicht etwas übertrieben; aber die Band hatte immerhin wieder ein stimmungsvolles und homogenes Album in ansprechendem Soundgewand veröffentlicht, auf dem man wirklich jedes Lied gut anhören konnte. Innovationspreise stauben Insomnium auch 2019 nicht ab, aber „Heart Like a Grave“ macht wieder dieselben Sachen richtig wie der Vorgänger. Somit bekam der Hörer dieses Jahr wieder ein solides, Insomniumtypisches Melodeath-Album mit dichter winterlicher Atmosphäre (gerade jetzt zum Jahreswechsel wieder passend) und durchgehend gutem Songwriting. Das ist in jeder Hinsicht eine Bereicherung.
Of Mice & Men – Earth & Sky

Knapp eineinhalb Jahre nach dem sehr gelungenen „Defy“ hauen Of Mice & Men schon wieder ein sehr gutes Album raus. Und was für eins: „Earth & Sky“ ist insgesamt wieder eine Stufe härter und wirkt wie aus einem Guss. Ein Hammersong jagt den nächsten, ganze 11 Nummern (43 Minuten) lang. Rabiate Moshpitprügel („Mushroom Cloud“) wechseln sich dabei stets mit etwas eingängigeren Modern-Rock-Nummern („Meltdown“) ab, was beim Durchhören des Albums für ein erfreuliches Maß an Abwechslung sorgt. Genauso spaßig wie das Album sind übrigens auch die Livekonzerte der Band. Wer an „Earth & Sky“ also ähnlich viel Freude hatte wie ich, sollte unbedingt ein Auge auf die Tourdaten haben!
Opeth – In Cauda Venenum

Opeth beweisen wieder einmal, dass sie kein schlechtes Album machen können, selbst wenn sie ihren Sound und ihre Herangehensweise an die Musik komplett verändern. „In Cauda Venenum“ weicht zwar nicht sehr stark von den Vorgängeralben ab, zeigt aber deutlich mehr Härte, mehr Blues und noch mehr Schwermut. Nach wie vor keine Hintergrundmusik, sondern eher was zum bewusst genießen. Im Ohrensessel mit einem erlesenen Drink in der Hand.
As I Lay Dying – Shaped By Fire

Kaum ein Metal Album der letzten Jahre wurde mit solcher Spannung erwartet wie „Shaped By Fire“. Tim Labesis‘ Verhaftung, Tatmotiv, Schuld, Vorzeitige Entlassung blablabla hatten im Vorfeld ja bereits für einigen Gesprächsstoff in der „Szene“ gesorgt. Deshalb gab es nach Ankündigung von Welttournee und Album auch wieder reichlich kritische Stimmen und Artikel in drittklassigen (sprich: allen) Metalmagazinen die fragten, ob es richtig sei As I Lay Dying überhaupt wiederzubeleben. Ausverkaufte Hallen und letztlich „Shaped By Fire“ waren dann auch für den letzten Jammerlappen ein verstummender Schlag in die Fresse. As I Lay Dying sind zurück und haben trotz allem Aufruhr und aller Verwerfungen ihr bis dato bestes Album herausgebracht. Alle typischen AILD-Trademarks bleiben auch hierauf erhalten, verpackt in ein kontemporär-fettes Soundgewand und mit ein paar neuen songwriterischen Kniffen. Eines der Jahreshighlights 2019.
Cult of Luna – A Dawn to Fear

Das Vorgängeralbum „Mariner“, das in Zusammenarbeit mit Sängerin Julie Christmas entstanden war, stellte für die zuletzt stagnierenden Cult of Luna einen kreativen Befreiungsschlag dar und rückte die Band für viele endlich wieder ins Rampenlicht. Auf „A Dawn To Fear“ berufen sich CoL wieder auf alte Tugenden, aber verfangen sich diesmal nicht wieder in der Eintönigkeit der „Vertikal“-Alben. Ein bisschen geht der Sound wieder in Richtung „Eternal Kingdom“ und die (wie immer überlangen) Tracks zeigen mit gelungenen Laut/Leise bzw. Schnell/Langsam-Wechseln ein gelungenes Maß an Abwechslung. Für Fans der Band auf jeden Fall ein Highlight.
Renounced – Beauty Is A Destructive Angel

Old-School Metalcore ist in den letzten Jahren ja ein wenig gestorben, weil entweder alle Bands angefangen haben gleich zu klingen oder das Genre wild mit Rap, Electro, Pop, Djent und anderen Genres vermischt haben, um sich von der Masse abzuheben. Sogar Killswitch Engage haben ihren Sound in den letzten Jahren maßgeblich modernisiert und alle Kanten abgeschliffen. Die Killswitch-Fans der alten Schule können seit dem Release von „Beauty Is A Destructive Angel“ aber wieder aufatmen, denn es gibt ihn noch: Den rauen, kantigen Metalcore mit abrupten Wechseln zwischen Hardcore-Geschrammel und eingängigen Gitarrenmelodien. Renounced haben es 2019 nochmal geschafft, den einzigartigen Vibe der Metalcore Generation 2001-2002 zu replizieren, ohne dabei irgendwo dreist abzukupfern. Geheimtipp!
Mgla – Age of Excuse

Mgla sind meiner Meinung nach aktuell die beste Black Metal Band auf dem Planeten. Das Krakauer Duo (das sich auf der Bühne Verstärkung von Gastmusikern holt) spielt einerseits ganz oldschooligen, traditionellen Black Metal, hebt sich anderseits durch unverwechselbare Gitarren- und Schlagzeugarbeit von den meisten anderen Krachmachern ab. Ein weiteres Markenzeichen von Mgla ist deren durchdachtes und abwechslungsreiches Songwriting, durch das die Band sowohl von großen Musikmagazinen als auch von grummeligen, alleshassenden Fans einiges and Lorbeeren aufgesetzt bekam. „Age of Excuse“ steht ganz in der Tradition der hervorragenden Diskografie der Band. Das Album hat Groove, Abwechslung, coole Riffs und ist schnell mal „versehentlich“ am Stück durchgehört. Dabei ist es mit 42 Minuten nicht mal besonders kurz, aber dafür ziemlich geil.
Northlane – Alien

Northlane gehören zu meinen absoluten Lieblingsbands. Nicht nur, weil die Australier beinahe im Minutentakt gute Alben raushauen, sondern auch weil sie sich konstant weiter entwickeln, stets gute Ideen in der Hand haben und zu den besten Song- und vor allem Textschreibern der modernen Metalszene gehören. Auf „Alien“ haben Northlane mal wieder krass mit ihrem Sound experimentiert. Der Stil des Vorgängeralbums „Mesmer“ wurde im Grunde genommen beibehalten, aber mit einer fetten Prise WipeOut/SSX-Soundtrack vermischt (Playstation-Spieler wissen was ich meine). Beim Mastering hat man ordentlich in die Vollen gegriffen und dem ganzen einen druckvollen, dicken Sound verpasst, der trotz aller Wucht klar und differenziert ausfällt. Zusammen mit den düsteren Texten, die sich hauptsächlich um Gewalterlebnisse aus des Sängers Kindheit drehen, bildet „Alien“ ein turbulentes mitreißendes Musikerlebnis, das niemanden ernsthaft kaltlässt.
Dream Tröll – Second to None

Ich dachte eigentlich, Heavy/Powermetal und ich hätten uns schon längst auseinandergelebt. Das letzte Mal, dass ich mir irgendwas aus dieser Sparte freiwillig angetan habe, ist sicherlich gute 15 Jahre her. Dann habe ich vor kurzem Dream Tröll entdeckt. Die unverschämt eingängige Mischung aus klassischem Heavy Metal und Retro Wave Melodien verleiht der Musik einen herrlichen 80er-Jahre He-Man-Vibe, der mich direkt bei der Kindheit gepackt hat. Und auch sonst wird „Second to None“ seinem Namen gerecht. Die Songs sind allesamt großartig geschrieben, strotzen vor Selbstironie und machen irrsinnig Spaß (vor allem, wenn man sich die Videoclips dazu anschaut, allen voran „Chrome Skull Viper“). Wenn Dream Tröll dieses Niveau ein oder zwei weitere Alben lang aufrechterhalten können, werden sie von den Headlinerzeilen vieler Festivals nicht mehr wegzudenken sein.
After The Burial – Evergreen

Düsteres Waldmotiv auf dem Cover, fetter Sound und ein sehr gut gewählter Albumtitel. After the Burial ließen auch 2019 nichts anbrennen. Große Experimente oder Expeditionen in neue Soundgefilde gibt es auf diesem Album nicht zu hören, sondern im Großen und Ganzen das was man von der Band gewohnt ist: Brutales, oft geradliniges aber manchmal auch äußerst raffiniertes Djent-/Deathmetalgebretter. Mal unverblümt auf die Fresse, mal vertrackt und rhythmisch wie bei Meshuggah… Hier kommt keine Langeweile auf. After the Burial könnten wahrscheinlich nicht mal ein schlechtes Album produzieren, wenn sie es wollten.
Periphery IV: Hail Stan

Als ich Anfang 2019 noch viel Zeit und Muße hatte, schrieb ich eine ausführliche Rezension zu diesem Album. Definitiv ein kreatives Highlight 2019, das jeder mal gehört haben sollte.
Whitechapel – The Valley

Noch ein Deathcore/-metal Album mit einem Wald auf dem Cover. Whitechapel liefern mit „The Valley“ einen Musikgewordenen Hinterwäldler-Horrorfilm… Düstere Texte (auch hier werden angeblich Kindheitstraumata verarbeitet), heftige Drumgewitter und raffiniert-brutale Gitarrenarbeit werden immer wieder durch ruhige und melodische Passagen unterbrochen, die statt das ganze aufzulockern die düstere Atmosphäre noch verdichten. Whitechapel haben hörbar jede Menge Arbeit und Herzblut in diese Songs gesteckt und das hat sich gelohnt: „The Valley“ ist meiner Meinung nach das bisher beste Album der Band.
Bring Me The Horizon – amo

Auch zu diesem Album habe ich einen ausführlichen Artikel verfasst. Fast schon mehr Pop als Metal, aber nichtsdestotrotz eines meiner persönlichen Lieblinge des Jahres.
Sleep Token – Sundowning

Stilistisch lassen sich Sleep Token irgendwo zwischen Deftones und Kings of Leon einordnen. Doch während erstere in letzter Zeit durch Stagnation und letztere durch Abwesenheit glänzten, überraschen uns Sleep Token mit einem gelungenen und frisch klingenden Mix aus Pop, Indie und Metal auf einem sehr sehr gut gelungenem Album. Die mystisch-religiös angehauchte Medienpräsenz mit Roben, Masken und geheimnisvollen „worship“-Hashtags klingt auf dem Papier kitschig, gibt dem ganzen Konstrukt aber praktisch Individualität und Atmosphäre. Das Tempo auf „Sundowning“ ist eher gemächlich und insgesamt würde ich das Teil sogar als gute Hintergrundmusik für einen romantischen Abend bezeichnen. Hat mich jedenfalls sehr positiv überrascht und sich fest in meine Dauerrotation gefressen. Prädikat: Sexy!