Jeder Whisky-Snob, egal wie erfahren oder wohlhabend, hat einen Daily Drinker. Der ist idealerweise einfach zu genießen, dennoch einigermaßen komplex und vor allem aber einigermaßen preisgünstig. Für Fans rauchiger Whiskies ist das gerne mal der Talisker 10. Der wird nicht nur gerne mal für unter 30 € verschleudert, sondern bietet trotz seines jungen Alters auch ein angenehmes und vielseitiges Geschmacksprofil, das es mit weitaus teureren Destillaten aufnehmen kann.

Die Talisker-Destillerie ist die ältere der beiden einzigen Betriebe auf der Isle of Skye und gehört zum Diageo-Konzern, was bei Kennern gerne mal ein Naserümpfen hervorruft. Man kann die seelenlose Massenmarkt-Attitüde Diageos so scheiße finden, wie man will; die einzelnen Betriebe, die dem Konzern angehören, machen teilweise trotzdem hervorragende Tropfen und Talisker gehört da zweifelsohne mit dazu.

Obwohl Talisker alles Mögliche zwischen 8 und 43 Jahren im Line-up führt, bietet der 10er dennoch ein paar Alleinstellungsmerkmale, sodass man ihn nicht einfach als den günstigsten Massenfusel der Destillerie abstempeln kann.
So haben die älteren Abfüllungen ein runderes und volleres Geschmacksprofil, aber dafür auch deutlich weniger Rauch und die einzelnen Aromen haben weniger Punch. Wer sich mit Schnaps von der Skye also vertraut machen möchte, fängt am besten mit dem 10er an, der den typischen Talisker-Charakter am direktesten vertritt.

Ab ins Glas mit dem Zeug!

In der Nase

Im Großen und Ganzen riecht der Talisker 10 so wie ein ausgebranntes Schiffswrack am Strand. Richtig gelesen: Aus dem Glasgefäß weht einem sofort eine rauchdurchsetzte Meeresbrise entgegen. Dazu macht sich auch eine leicht metallische Note im Geruchsbouquet bemerkbar. Ich habe die Assoziation mit dem Schiffswrack jetzt schon ein paar mal auf Reddit gelesen, weshalb ich das jetzt hier guten Gewissens auch so übernehme. Und mit diesem Eindruck sticht Talisker schon aus der Menge hervor. Ich will nicht behaupten, dass die Schnapsbrenner von der Skye diese Dreifaltigkeit der Aromen erfunden haben, aber ich kenne zumindest keinen anderen Whisky, der schon in der Nase dieses eindeutig maritime Flair vermittelt.

Im Mund

Der Torfrauch im Talisker 10 ist alles andere als subtil dosiert und somit ist Rauch auch das erste Aroma, das sich bewusst im Mund breitmacht. Der Rauch erweckt dabei eher den Eindruck von frischem Holzrauch statt der medizinisch-torfigen Variante, wie man sie z.B. bei Ardbeg oder Laphroaig finden würde. Auch der Rest der Aromen, die sich schon beim Riechtest angekündigt haben, lassen sich sofort herausschmecken. Meersalz und Schiffsreling (nicht, dass ich schonmal an einer genuckelt hätte…) lassen wieder das romantische Bild eines Wracks am Strand auflodern. Die recht harschen und abstrakten Geschmacksstoffe werden durch ein wenig malzeigene Süße ausbalanciert, aber ich würde den Talisker 10 nicht als süß schmeckenden Whisky kategorisieren. Mit seinen 46 % hat der 10er auch ordentlich Wumms, was für ein preisgünstiges Massenprodukt fast schon ungewöhnlich ist.

Abgang

Der Abgang ist für einen 10-Jährigen überraschend lang, kann es mit reifen Islay-Geschmacksbomben aber natürlich nicht aufnehmen. Am Gaumen bildet der Talisker 10 eine leichte Bitterkeit, die aber nicht unangenehm wird. Der Torfrauch hallt gut nach und bleibt relativ lange kleben. Wie gesagt, für das geringe Alter bietet der Talisker eine absolut überzeugende Performance.

Mit Wasser

46 Volumenprozent laden besonders Anfänger dazu ein, hier ein bisschen Wasser reinzuschütten. Beim Talisker 10 ist das nicht mal eine allzu schlechte Idee (aber auch nicht die beste). Anders als bei vielen Islays bläst die Wasserzugabe hier die Raucharomen nicht aus dem Glas, sondern verschluckt diese sofort. Dafür wird Alkohol kurzzeitig die dominante Geruchsnote, was ich ein bisschen schräg finde. Geschmacklich wird der Talisker durch die Verdünnung etwas süßer und weicher, aber verliert leider auch an Kohärenz oder „Rundheit“. Ich persönlich trinke ihn lieber ohne Wasser, da die Aromen bei 46 % am besten zusammenspielen.

Fazit

An einem 10-jährigen Whisky für 30 € gehen sowohl frische als auch alteingesessene Whiskyliebhaber gerne mal naserümpfend vorbei. Im Falle des Talisker 10 wäre dies aber ein Fehler, denn dieser Single Malt steckt viele kostspieligere Tropfen einfach in die Tasche. Seine komplexen, aber auch rauen Aromen machen ihn sowohl perfekt zum zwischendurch trinken als auch für den stirnrunzlerischen Genuss am Kaminfeuer. Ich habe davon immer eine Flasche zu Hause, aber würde auch außerhalb niemals ein Glas davon ablehnen. Must-have!

Wertung: 4.5 von 5 Punkten

Bewertung: 4.5 von 5.

Aufschlüsselung des Punktesystems:

0/5: Nicht für den menschlichen Verzehr geeignet
1/5: Pfui Alter, geh weg damit!
2/5: Zum Mischen mit Freeway Cola geeignet
3/5: Not great, not terrible
4/5: Solide, kann man sich zwischendurch mal gönnen
5/5: Herausragendes Geschmackserlebnis, muss man probiert haben!

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